Die Krokodil Geschichte                                                 von Sammler Andreas Stuellenberg

Das Krokodil - Es war im Jahre 1997 alsGreenhorn“ in der Schilderszene.

Infiziert mit dem Schildervirus hatte ich mich bereits Ende der 1980iger in den Jahren meiner Ausbildung, dann aber das selbst abgeschraubte und auf Flohmärkten erworbene Material nach ein paar Jahren wieder auf selbigen Märkten verramscht um einen restaurationswürdigen Porsche 356 A aus den USA zurück nach Deutschland zu bringen.

Nach 4jähriger Abstinenz erzählte mir ein ehemaliger Arbeitskollege von seinem „neuen“ Hobby, dem Schildersammeln, was mich kurzer Hand zurück ins Fachgebiet brachte.

Getrieben von Ehrgeiz versuchte ich (noch ohne Internet, aber bereits mit einem sehr kostspieligen Mobiltelefon) ein Netzwerk zu den „Grossen“ der Szene aufzubauen.

Einer meiner ersten Anlaufpunkte war dabei Andy Geltinger in München, der zu dieser Zeit eine der führenden Persönlichkeiten im Schilderbereich war.

Aus Geschäftsbeziehung wurde Freundschaft und Verbundenheit, man besuchte Flohmärkte, Börsen und Auktionen vornehmlich in Deutschland und Österreich. So kam es, das man sich nicht nur zu einer Auktion verabredete, sondern das so mancher Schilderkauf vor diesem Ereignis abgewickelt wurde.

Zurück ins Jahr 1997…. die 1. Karlsruher Auktion von Jürgen Renk war angesagt und man vereinbarte ein Treffen vor Auktionsbeginn um einen damals sehr gesuchten Problem Deckel zu übergeben.

Ich konnte mein Glück kaum fassen , endlich dieses runde Teil in den Händen zu

halten, doch meine Kasse war dadurch nahezu leer und es blieb beim Besichtigen der Auktionsware am 24.Mai 1997.

Bei der Vorbesichtigung schoss mir die Nr.324 ins Auge …ein dickbäuchig gewölbtes, in formbrachtes und in handarbeit hergestelltes Emailschild das mit einem Krokodil, Geldbeutel und Aktentasche für einen Laden in Budweis warb.

Die Einordnung über Herstellung, Einzigartigkeit und Wertbeschaffenheit war damals bei nicht katalogisierter Ware schwierig, schlichtweg fast unmöglich. Wegen besagtem „Loch in der Kasse“ war es sowieso zweitrangig und ich tröstete mich mit meinem neu erworbenen Problem Deckel.

Im Hinterkopf blieb das gefährliche grüne Tier trotzdem, besonders weil es am Auktionstag an einem heutzutage fast lächerlichen Preis von 2000 DM scheiterte. Ich nahm mit Jürgen Renk ein paar Tage nach der Versteigerung nochmals Kontakt auf, doch da war das gute Stück bereits per Nachverkaufszuschlag an einen anderen mir damals nicht bekannten Sammler verkauft.

Die Jahre (genau 20) mit Auktionen und Börsen vergingen….

Schilder kamen und gingen…..

und es war wieder einmal eine Micky Waue Auktion angekündigt.

 

Somit war ich am frühen Morgen des 27.Mai 2017 auf dem dazu gehöhrigen Parkplatz vorstellig.

Bei der Präsentation aus den div. Kofferräumen war für mich und meine Sammlung wenig Interessantes vorstellig bis ich auf dem Rücksitz eines eigentlich für Bierschilder zuständigen Sammlers ein mit Luftblasenfolie abgedecktes Objekt entdeckte.

Schni, Schna, Schnappi …. ein Krokodil.

Sofort schoss der Blutdruck nach oben und unzählige Fragen kreisten im Kopf. Das Ding aus der Renk Auktion, ein zweites Exemplar ( kann doch gar nicht möglich sein ) usw.

Nach kurzem Gespräch mit dem Händler und dessen Preisvorstellung ( die natürlich nicht meiner Vorstellung entsprach…wie fast immer ) kam noch eine mit anderer Person vereinbarte Reservierung dazu.

In meinem Kopf war klar…..besteht eine erneute Möglichkeit….musste ich sprichwörtlich zuschnappen.

Nun wartete ich ungeduldig die Reservierung ab und war mehr als erleichtert das der Sammler nicht zum vereinbarten Zeitpunkt erschien.

So wurde das Schild entpackt und vom Rücksitz vor das Fahrzeug gelegt um es für den Verkauf anzupreisen, was außer mir natürlich noch div. Kaufinteressenten anlockte.

Allerdings war der erste Ausrufpreis so extrem hoch, das er viele Interessenten verschreckte.

In der Zwischenzeit versuchte ich Erkundigungen über das Schild einzuholen, was sich als relativ einfach herausstellte, da der Veranstalter der Auktion von 1997 in Karlsruhe ( Jürgen Renk ) ebenfalls am Parkplatz anwesend war. Jürgen bestätige das es sich um das Krokodil aus seiner am 24. Mai 1997 stattgefunden Auktion handelte.

Man diskutierte über die Tatsache das es sich mit Sicherheit um eine Einzelanfertigung für einen Laden handelte, kein zweites Exemplar existent oder bekannt war und die Aufwenigkeit und Art der Herstellung ein Beleg dafür sein sollte.

Die Zeit verging und die ersten Sammler wechselten die Örtlichkeit vom Parkplatz in die Halle zur Vorbesichtiung der Micky Auktion.

Für mich allerdings war ab dem Zeitpunkt der erneuten Krokodils Entdeckung die Auktion zur Nebensache verkommen.

Es folgte Gespräch um Gespräch mit dem Verkäufer, der das Schild auch nur in Kommission mitgebracht hatte.

Der eigentliche Besitzer war der Sammler der das gute Stück tatsächlich 1997 per Nachverkauf bei der Auktion in Karlsruhe erworben hatte.

Und so kam es das der Preis bei weiteren Gesprächen nach unten purzelte. Kurz nach 9.00Uhr / Auktionsbeginn war ich mit einem weiteren Interessenten einer der verbliebenen Sammler auf dem sich leerenden Parkplatz.

 

Notgedrungen, getrieben von Besitzgier und Verlustangst ergriff ich mit einem letzten, wohl auch schmerzhaften Gebot die Tat und nach kurzer Diskussion und leichter Erhöhung war man sich doch noch einig geworden.

Sofort wurde das Krokodil vor den verdutzten Augen des noch verbliebenen Interessenten in meinen Kofferraum verladen.

Der weitere Besuch der Auktion in Friedrichsdorf lief somit wie vor 20 Jahren und 3 Tagen ( 24.Mai 1997 bis 27.Mai 2017 ) in Karlsruhe ab….vor der Auktion zugeschnappt, Aktentasche leer …Zaungast bei der Auktion!!! Aber dafür sehr, sehr glücklich!

Nach Platzwahl in heimischen Gefilden und Befestigung an der Wand war das Thema Krokodil natürlich nicht abgeschlossen.

Es folgte eine ausgiebige dreimonatige Recherche die interessante Details zur Oberfläche brachte.

Im Internet war unter dem Firmennamen „U Jestera“ natürlich fast nichts mehr zu finden.

Mit viel zeitlichen Aufwand kam ich über eine Zeitung der Tschechischen Republik auf einen Artikel indem die Bezirke der Stadt Budweis historisch beleuchtet wurden. In der Kanovnicka Ulice 24 (zu Besatzungszeiten Domherrengasse) in Budweis war das Geschäft ehemals ansässig.

Auszug aus dem Artikel vom 16.11.2008 :

…..in der Kaiserzeit (bis 1918) ist auf der linken Seite (Kanovnicka Ulice) nach der Brücke das einstöckige Haus „U Jestera“ ( übersetzt Eidechse) zu sehen. Das Haus war vorne von Bäumen bedeckt. Der Erbauer Miroslav Pokorny betrieb ein Geschäft für Lederwaren mit dem Namen „U Jestera“, als Logo an der Front fungierte ein Krokodil das auf einer Aktentasche sitzend einen Geldbeutel im Mund trug……Jan Schinko-2008

Nach den kommunistischen Enteignungen ab 1948 wurde das Geschäft verstaatlicht und von der staatlichen Tabor Gesellschaft bis ins Jahr 1978 ohne Logo und unter neuen Namen weitergeführt.

Letztendlich wurde das Gebäude im selben Jahr für den Bau einer politischen Schule der Kommunistischen Partei unnötig abgerissen.

Bei diversen Gesprächen mit dem Budweiser Heimatpfleger Jan Schinko und dem Verleger Milan Binder stellte sich heraus, das nahezu alle Schilder die für Werbung gedacht waren, nach der Machtübernahme durch die Kommunisten entfernt werden mussten.

So erging es wohl auch dem Krokodil-Schild „U Jestera“, das ab etwa 1948 auf dem Dachboden oder im Keller des gleichnamigen Hauses in der Kanovnicka Ulice 24 eingelagert wurde bis das Haus 1978 abgerissen wurde.

 

Der weitere Weg, vermutlich nach der Samternen Revolution und Grenzöffnung im Jahre 1989  ist nicht bekannt. Erst Jahre später gelangte das Schild auf noch unbekannten Wegen nach Deutschland zu dem Händler und Sammler Peter L. aus Baden-Baden der das Stück in die 1. Karlsruher Auktion von Jürgen Renk einlieferte.

Vom Zeitpunkt der Auktion in Karlsruhe schmückte es 20 Jahre und knapp 3 Tage die Wand des Sammlers Markus F. aus dem Sinsheimer Raum, bis es über den Parkplatz der besagten Friedrichsdorfer Auktion am 27.Mai 2017 endlich in meine Sammlung gelangte.

Hergestellt wurde das Schild übrigens von der Prvni C. Budejovicka Smaltovna im Zeitraum zwischen 1905-1911.

Emaillierwerk Prvni C.Budejovicka Smaltovna in Budweis um 1930

Werbeanzeige aus dem Jihocesky Kalendar in den 1920er bis 1930er Jahren.

Position Nr. 324 in der 1. Karlsruher Reklameschilder Auktion

Lederwaren „U Jestera“ (erstes Gebäude auf der linken Seite hinter der posierenden Dame )

Das Geschäft zu kommunistischen Zeiten um 1974

Auf diesem Wege nochmal herzlichen Dank an Andreas für das Teilen der Geschichte ! Und weiterhin viel Erfolg beim Jagen und Erlegen !