Liebe Sammlerfreunde,

 

ihr glaubt, ihr habt schon alles gehört und selbst die witzigste und originellste Schilderfundstory erzeugt bestenfalls ein Gähnen bei euch?

Dann sperrt jetzt mal die Ohren auf, denn wenn ihr diese wahre Geschichte hört, fallt ihr tot um:

Ich habe mehr durch Zufall Ende der 80er Jahre mit dem Sammeln von Emailschildern angefangen. Ich wurde auf einem Bauernhof groß und in der Nachbarschaft gab es noch einen richtigen Kohlehändler. Als der dann seinen Laden dichtmachte, stellte er unter anderem ein schönes gelbes Union Brikett Schild zum Sperrmüll und das war der Anfang meiner bis heute glühenden Leidenschaft für diese bunten, leuchtenden Blechdinger.

Mit der Zeit kam so einiges zusammen und Ende der 90er hatte ich eine richtig schöne Sammlung, von der ich einmal mehr mit glühenden Augen bei einer weihnachtlichen Familienfeier erzählte. Mit dabei war auch meine damals über 90jährige Oma, die immer noch auf dem Hof meiner Jugend wohnte, und in ihrem Bauernhaus feierten wir bis zu ihrem Tod im Jahre 2001 jedes Jahr mit der ganzen Familie Weihnachten. Sie war zwar schon etwas dement zu der Zeit, folgte aber dennoch amüsiert und interessiert meinen Erzählungen. Als ich dann stolz ein Fotoalbum mit meinen Schilder zeigte, sagte sie mit ihrer altersbrüchigen Stimme:“Und so etwas hängt man sich heute ins Wohnzimmer? Da hatte mein Walter – Gott hab ihn selig – aber eine bessere Verwendung.“     

Walter hieß mein in den späten 90ern verstorbenerGroßvater.                             Mehr instinktiv fragte ich sie:“Was meinst du damit, eine bessere Verwendung „Ach, das kannst du ja gar nicht wissen“, meinte sie, “das war ja noch vor dem Krieg, da warst du noch gar nicht auf der Welt."                                                          

Und dann begann sie uns die unglaubliche Geschichte von meinem heutigen Lieblingsschild und dem Highlight meiner Sammlung zu erzählen:

„Das war damals, 1940 oder 41, als Walter vom Krieg heimkam, weil er doch von den Granatsplittern diese schlimmen Verletzungen hatte und nach einem halben Jahr im Lazarett in Isny nicht mehr tauglich war für die Front. Es gab ja da schon fast gar nichts mehr zu essen, aber wir hatten ja noch unsere Äcker und Hasen und Hühner, uns ging es ja nicht so schlecht. Und da kamen die Leute und brachten uns alles mögliche, was sie noch hatten, um es gegen Lebensmittel einzutauschen.         Ja, und der Walter brauchte ja alles, der hat ja alles selber gemacht damals, der war ja handwerklich so geschickt. Jedenfalls brachte eines Tages mal eine Nachbarsfrau ein schweres Eisenschild wie die, die du jetzt in der Wohnung hängen hast,  das sie in ihrem Keller gefunden hatte und Eisen war zu der Zeit ganz rar, weil jede Woche Alteisensammler durch die Gassen gefahren sind und Schrott gesammelt haben, aus dem die Nazis dann Waffen und Bomben machten. Walter sagte dann, das kann er gut gebrauchen und gab der Frau eine paar Kartoffeln dafür. Und bald konnte ich sehen, wofür er es brauchte. Wir hatten doch im Garten diesen Hasenstall mit den Riesenkarnickeln. Opa war ja vor dem Krieg ein ziemlich bekannter Hasenzüchter. Wir mussten sie ja fast alle schlachten, weil die Nazis uns die Schweine und Kühe weggenommen hatten, aber den einen Riesenrammler hatten wir vor ihnen versteckt, der war Opas ganzer Stolz und wir wollten ihn unbedingt behalten für Opa, wenn er vom Krieg zurück kam, der Rammler war sein ganzer Stolz gewesen. Aber seit der Hase alleine war in dem Stall, war er sehr böse geworden und hatte immer versucht, ein Loch zu graben oder die Tür aufzunagen, um abzuhauen. Walter musste alle paar Wochen eine neue Tür an dem Stall zimmern, weil das Loch immer größer wurde. Jedenfalls kam dann die Nachbarin mit dem Schild und Walter hatte den Einfall: er machte aus dem Eisenschild eine Tür für den Hasenstall, die nicht mal der Riesenrammler durchnagen konnte.“

An dieser Stelle stoppte die Erzählung meiner Oma. Von der Erinnerung überwältigt, rannen ihr ein paar Tränen die Backen hinunter.

„Was ist dann mit dem Rammler passiert?“, fragte ich neugierig und spürte, wie mein Herzschlag zunahm, weil sich die nächste Frage schon ihren Weg aus meinem Unterbewusstsein in mein Hirn bahnte.                      

„Den hatten wir noch lange, bis nach dem Krieg. Opa hat ja bis fast zu seinem Tod wieder Hasen gezüchtet, aber das weißt du ja, oder?“

„Ja, klar“, sagte ich. „Ich hab als Kind ja oft beim Füttern zugesehen und sie gestreichelt. Und was ist mit dem alten Hasenstal passiert?“                                                                                                                          Da war sie, die Frage, deren Bedeutung mir erst langsam bewusst wurde.          Was war mit dem Stall passiert…?? Und vor allem: DER TÜR….!!!

„Ach, den hat Walter dann verheizt , als der Rammler tot war. Das war ganz schlimm für deinen Opa damals und er wollte einfach die Erinnerung an damals vergessen.“

„Ja, das kann ich verstehen“, wollte ich enttäuscht schon aufgeben, aber in diesem Moment schoss mir ein Gedanke durch den Kopf, der genährt war von dem unstillbaren Hunger, wie ihn vielleicht nur Sammler kennen. „Die Tür konnte er aber schlecht verheizen…“

„Ach, die Tür“, sagte Oma. „Ja, der Walter, der konnte nichts wegwerfen. Weißt du, mein Junge, wenn man mal im Krieg war…“

„Oma“, unterbrach ich sie hektisch,“ die Tür, wo ist die Tür? Was hat Opa mit der TÜR gemacht???“

 

„Na, aufgehoben hat er sie. Man kann nie wissen, wozu das mal gut ist, hat er gesagt und sie in den Keller getragen.“

„In den Keller? In deinen Keller? Hier im Haus?, fragte ich und der Rest der Familie schaute mit verdutzt an, weil meine Stimme wohl etwas lauter wurde, als man das bei einer besinnlichen Weihnachtsfeier erwarten durfte.

„Ja, hier im Keller. In dem hinteren Raum, wo das alte Mostfass steht, da hat er es in einem Kartoffelsack eingewickelt irgendwo hingelegt. Ich war ja schon lange nicht mehr im Keller, mein Rheuma…“

 

Mehr hörte ich nicht, denn ich stürzte schon die steinernen Kellertreppen hinunter, immer noch nicht ahnend, was ich in ein paar Sekunden in meinen zitternden Händen halten würde…